Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven
Schadensabrechnung, kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies
gilt auch dann, wenn im Rahmen einer durchgeführten (Teil-)Reparatur
tatsächlich Umsatzsteuer angefallen. Eine Kombination fiktiver und konkreter
Schadensabrechnung („Mischen“) ist insoweit nicht zulässig.
Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit aktuellem
Urteil vom 05.04.2022, Az. VI ZR 7/21. Tragendes Argument sei für den BGH, dass
der Geschädigte seine Reparaturmaßnahme nicht zur Grundlage seiner Abrechnung
macht, sondern sein Schaden fiktiv und damit ohne Bezug zu den tatsächlich
getätigten Aufwendungen abrechnet. In einem solchen Falle dürfe der Geschädigte
die tatsächlich erfolgte Reparaturmaßnahme dann auch nicht teilweise – in Bezug
auf die angefallene Umsatzsteuer – zum Gegenstand seiner im Übrigen fiktiv
gebliebenen Abrechnung machen.
Die Entscheidung überrascht angesichts des Gesetzeswortlauts
in § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Danach ist Umsatzsteuer zu erstatten, „wenn und
soweit“ diese angefallen ist. Für die Regulierungspraxis wird die Entscheidung
des BGH jedoch künftig hinzunehmen und zu beachten sein.
Seit kurzem beschäftigt sich das Landgericht Osnabrück mit gefälschten Impfpässen. Wie behandelt die Justiz eine Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß §§277, 279 StGB?
Christian Barthelmes: Es ist zu unterscheiden
zwischen dem Umgang mit gefälschten Impfpässen vor dem 24.11.2021 und
nach dem 24.11.2021. Ab dem 24.11.2021 heißt es in § 275 Abs. 1a StGB
wie folgt:
„Wer die Herstellung eines unrichtigen Impfausweises vorbereitet,
indem er in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte
Schutzimpfung dokumentiert oder einen auf derartige Weise ergänzten
Blankett-Impfausweis sich oder einem anderen verschafft, feilhält,
verwahrt, einem anderen überlässt oder einzuführen oder auszuführen
unternimmt, wird mit Freiheitstrafe bis zu zwei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.“ Das Einführen von § 275 Abs. 1a StGB zeigt
bereits, dass diese Handlungsweise vor der Einführung von § 275 Abs. 1a
StGB nicht strafbar war. Dieser Auffassung schließt sich das Landgericht
Bamberg und das Oberlandesgericht Bamberg in den zitierten
Entscheidungen an. Insbesondere haben sowohl das Landgericht, als auch
das Oberlandesgericht bestätigt, dass ein Rückgriff auf die Vorschriften
der Urkundenfälschung (§ 267 ff. StGB) unzulässig ist, da die
Spezialvorschriften des § 277 ff. (Fälschung von Gesundheitszeugnissen)
die Anwendung der allgemeinen Vorschriften der Urkundenfälschung
sperren.
Beim Landgericht Osnabrück wurde geprüft, ob sich Beschuldigte der
Urkundenfälschung gemäß §267StGB strafbar gemacht haben. Warum ist in
dem Fall der Fälschung von Gesundheitszeugnissen kein Rückgriff auf die
allgemeine Regelung der Urkundenfälschung möglich?
Christian Barthelmes: Das Oberlandesgericht Bamberg
hat in dem Urteil, das ich bei Instagram gepostet habe, sehr deutlich
gemacht, weshalb ein Rückgriff auf die Urkundenfälschung unzulässig ist
und durch die Spezialvorschriften gesperrt wird. So hat das
Oberlandesgericht Bamberg in der zitierten Entscheidung festgestellt,
dass § 277 StGB in der bis zum 23.1.2021 geltenden alten Fassung eine
abschließende gesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit
Gesundheitszeugnissen darstellte, welche einen Rückgriff auf § 267 StGB
sperrte. Das OLG argumentiert, dass sich dies bereits aus der
systematischen Stellung der §§ 277 -279 StGB a. F. ergibt. Diese regeln
den Umgang mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen ausführlich und
ausdifferenziert, weshalb kein Sinn erkennbar sei, warum der Gesetzgeber
in den §§ 277 – 279 StGB a. F. bestimmte Erscheinungsformen des Umgangs
mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen einerseits unter gegenüber § 267
StGB mildere Strafe stellen, nicht den Tatbestandsvoraussetzungen der §§
277 – 279 StGB a. F. unterfallende Verhaltensweisen des Umgangs mit
Gesundheitszeugnissen jedoch nach den allgemeinen Strafvorschriften
verfolgt wissen wollte. Würde man in solchen Fällen auf § 267 StGB
zurückgreifen, wenn § 277 StGB a. F. tatbestandlich nicht erfüllt ist,
würde dies zu eklatanten Wertungswidersprüchen führen. So würde
beispielsweise das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses über § 267
StGB schwerer bestraft, als das Fälschen und die zusätzliche
anschließende Vorlage des Gesundheitszeugnisses gem. § 277 StGB bestraft
wird. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.
Bisher wurde nicht nach Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet. Gibt es wirklich eine Strafbarkeitslücke?
Christian Barthelmes: Siehe oben. Die
Strafbarkeitslücke bestand bis zum 23.11.2021. Danach wurde sie
geschlossen. Ihre Wahrnehmung, dass vor dem 24.11.2021 nicht nach
Personen mit gefälschten Impfausweisen gefahndet wurde, ist gleichwohl
unzutreffend. So wurde beispielsweise mein im Eingangsfall zitierter
Mandant inhaftiert, da die Staatsanwaltschaft der rechtsirrigen
Rechtsauffassung war, bereits vor dem 24.11.2021 sei der Umgang mit
gefälschten Blankett-Impfausweisen strafbar.
Das Vorlegen eines unrichtigen Impfpasses bei einer Apotheke ist nicht nach dem StGB sowie ebenfalls nicht nach dem IfSG strafbar. Wie können dennoch gefälschte Impfausweise sichergestellt werden?
Christian Barthelmes: Es ist zwar richtig, dass für
den Zeitpunkt vor dem 24.11.2021 eine Strafbarkeit für den Umgang mit
unrichtigen Impfpässen nicht vorlag. Gleichzeitig können aber gefälschte
Impfausweise aus Gründen des Sicherheitsrechts eingezogen werden. Im
Übrigen wird davon ausgegangen, dass beispielsweise das Betreten eines
2G-Bereichs unter Verwendung eines gefälschten Impfausweises zumindest
eine Ordnungswidrigkeit darstellt, deretwegen auch strafprozessual die
Sicherstellung des Impfausweises zulässig sein sollte.
Die Strafbarkeitslücke darf allerdings nicht von Gerichten,
sondern nur vom Gesetzgeber geschlossen werden. Wird es in Zukunft eine
Gesetzesänderung bezüglich der Impfausweise geben, wann kann man damit
rechnen und welche Strafen kommen auf Personen mit gefälschten
Impfausweis zu?
Christian Barthelmes: Wird auf die Vorschrift des §
275 Abs. 1a StGB verwiesen. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich auf die
Strafbarkeitslücke reagiert und mit Wirkung zum 24.11.2021 auch die
Herstellung im Umgang mit unrichtigen Blankett-Impfausweisen unter
Strafe gestellt. So hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, hierfür
eine Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder eine Geldstrafe als
angemessene Sanktionierung anzusehen.
Durch die Umsetzung der europäischen Warenkaufrichtlinie
finden auf Kaufverträge ab dem 01.01.2022 neue Regelungen Anwendung. Dies
betrifft natürlich auch den Gebrauchtwagenkauf. Zu beachten sind insbesondere
folgende Punkte:
Der Sachmangelbegriff wird neu definiert
Der Ausschlusstatbestand des § 442 BGB (Kenntnis
des Käufers) gilt nicht mehr bei Verbrauchsgüterkäufen
Eine negative Beschaffenheitsvereinbarung bedarf
im Verbrauchsgüterkauf einer besonderen Form (gesonderter Hinweis +
Hervorhebung im Kaufvertrag)
Die Verjährung darf im Verbrauchsgüterkauf auf
ein Jahr verkürzt werden, allerdings nicht per Klausel, sondern ebenfalls nur
per besonderer Form
Die Beweislastumkehr im Verbrauchsgüterkauf wird
von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert
Sowohl Käufer, als auch Händler haben demnach auf eine
Vielzahl neuer Regelungen zu achten. Bei Bedarf einer rechtlichen Beratung oder
Vertretung steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Seufert als Fachanwalt für Verkehrsrecht
gerne zur Verfügung.
Wie der ADAC bekanntgab, wurde ein Formfehler im
Gesetzestext zum neuen Bußgeldkatalog entdeckt, der die neuen Regelungen
unwirksam machen könnte. Nach Ansicht des ADAC führe das unvollständige
Zitieren der Ermächtigungsgrundlage dazu, dass zumindest die neuen Fahrverbote
nicht wirksam wären.
Der Freistaat Bayern kündigte daher an, ab sofort für
laufende Verfahren die alte Rechtslage anzuwenden. Der Freistaat folgt damit
einer Aufforderung des Bundes, die Neuregelungen auszusetzen, da die neuen
Fahrverbote wahrscheinlich nichtig seien. Andere Bundesländer sehen dagegen
eine Aussetzung der Neuregelungen derzeit nicht veranlasst.
Betroffenen ist daher dringend anzuraten, sich mit
anwaltlicher Hilfe gegen ein drohendes Fahrverbot zu erwehren.
Am heutigen 28.04.2020 tritt die StVO-Novelle in Kraft,
was neue sowie verschärfte Vorschriften im Straßenverkehr mit sich bringt.
Neben Änderungen zur Rettungsgasse sind hier insbesondere die Neuregelungen zum
Seitenabstand beim Überholen sowie zur Sanktionierung von
Geschwindigkeitsverstößen von Bedeutung.
Demnach müssen Kraftfahrer beim Überholen von Fußgängern,
Radfahrern oder Fahrern von E-Scootern innerorts nun mindestens 1,5 m Abstand,
außerorts mindestens 2,0 m Abstand halten. Für Geschwindigkeitsverstöße wurden
die Geldbußen erhöht und die Fahrverbote neu geregelt. So wird nun
beispielsweise für einen Pkw-Fahrer bei vorgeworfenen 46 km/h in einer „Zone
30“ eine Geldbuße von 70,00 € zur Zahlung fällig. Ein Fahrverbot fällt für
einen Pkw-Fahrer nun innerorts bereits ab einer Überschreitung von 21 km/h, außerorts
ab einer Überschreitung von 26 km/h an.
Das Oberlandesgericht Bamberg hatte bereits in seiner
Entscheidung vom 11.12.2018, Az. 3 Ss OWi 1526/18, bekräftigt, dass wegen einer
Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG auch dann verurteilt werden kann, wenn der
Nachweisgrenzwert (für THC: 1,0 ng/ml) nicht erreicht wird.
Erforderlich ist hierzu, dass neben dem berauschenden Mittel
im Blut des Betroffenen weitere Umstände hinzutreten, die darauf deuten, dass
der Betroffene am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine
Fahrtauglichkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt
gewesen ist. Dies können beispielsweise Verhaltensauffälligkeiten oder
rauschmittelbedingte Ausfallerscheinungen sein.
Die gleiche Auffassung vertreten das Oberlandesgericht
Celle, das Oberlandesgericht München sowie zuletzt auch das Amtsgericht
Dortmund in dessen aktueller Entscheidung vom 02.04.2019, Az. 729 OWi-254 Js
281/19.
Eine Unfallflucht führt in der Regel zur Entziehung der
Fahrerlaubnis. Dies jedoch nur, wenn durch den Unfall ein bedeutender Schaden
an fremden Sachen eingetreten ist und der Verursacher dies auch bemerkt hat
oder bemerken konnte.
Bei der Bemessung des „bedeutenden Schadens“ spricht sich
das Landgericht Dortmund in seiner aktuellen Entscheidung vom 25.03.2019, Az.
32 Qs 35/19, dafür aus, die Wertgrenze auf 1.500,00 € netto anzuheben. Außerdem
betont das Landgericht, dass dem Beschuldigten nachgewiesen werden müsse, dass
dieser vom Eintritt eines bedeutenden Schadens wusste oder wissen konnte.
Wenn sich also bei laienhafter Betrachtung lediglich ein
oberflächlicher Lackschaden erkennen lässt oder auch die Polizei den
Fremdschaden nur auf beispielsweise 1.200,00 € schätzt, ist entweder schon das
Erreichen der Wertgrenze oder jedenfalls der diesbezüglich erforderliche
Vorsatz nicht gegeben. Selbst wenn sich die Beamten geirrt haben, gilt der Grundsatz:
„Der Beschuldigte muss nicht schlauer sein, als die
Polizei.“
Es ist unter den Gerichten umstritten, ob ein durch E-Mail
eingelegter Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid das Formerfordernis des § 67
Abs. 1 OWiG erfüllt. Das Landgericht Tübingen hat dies in seiner aktuellen
Entscheidung vom 28.01.2019, Az. 9 Qs 6/19, verneint.
Damit schließt sich das LG Tübingen der Auffassung der
Landgerichte Münster, Fulda und Heidelberg an. Anders entschied beispielsweise
das Landgericht Mosbach am 30.08.2018 im dortigen Verfahren 1 Qs 22/18. Das LG
Tübingen begründete seine ablehnende Entscheidung damit, dass Erklärungen an
Behörden oder Gerichte, für welche die Schriftform vorgesehen ist, nur
elektronisch eingereicht werden können, wenn die Nachricht mit einer
qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.
Dieses Erfordernis erfüllt eine einfache Mail gerade nicht,
weshalb aus anwaltlicher Sicht weiterhin zu raten ist, einen Einspruch nicht
via E-Mail einzulegen. Gerne stehen wir Ihnen hier unterstützend zur Verfügung
und übernehmen Ihre Vertretung im Bußgeldverfahren.
Mit Urteil des BGH vom 23.01.19 werden
die Bedürfnisse des mittels Samenspende erzeugten Kindes auf Kenntnis dessen
Abstammung und das des Samenspenders auf Anonymität gegeneinander abgewogen.
Nachdem die Klägerin davon erfahren hatte, dass deren Vater nicht deren leiblicher ist, wünschte diese von der Klinik Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters.
Nach Ablehnung eine
Auskunftsanspruches der Klägerin durch die Ausgangsgerichte mit der Begründung,
die Interessen des Samenspenders, der sich auf die zugesicherte Einhaltung der
Schweigepflicht verlassen hat, überwiegen, hat der BGH die Entscheidung des
Landgerichts Dresden aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Dessen Entscheidung begründet der
BGH mit der mit der Kenntnis der eigenen
Abstammung verbundenen Bedeutung für das eigene Selbstverständnis und die
individuelle Stellung in der Gemeinschaft.
Der BGH argumentiert, dass sich der Samenspender bewusst entschlossen
hat menschliches Leben zu schaffen und hierfür eine soziale und ethische
Verantwortung trägt, während die Kenntnis der Abstammung für das gezeugte Kind
für die Entfaltung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann und
andernfalls erhebliche Belastungen und Unsicherheiten des Kindes möglich sind.
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